1. Zwiesprache




Mir ist das fortwährende Zeichnen nach der Natur die wichtigste Grundlage aller weiteren bildnerischen Schaffens-Prozesse.
Was aber geschieht, wenn ich nach der Natur zeichne? Nun, etwas erregt meine Aufmerksamkeit, ich nehme den Stift und erzeuge Linien auf dem Papier. Während ich zeichne, wandern meine Augen hin und her und vergleichen, was sie von dieser Welt sehen und was mein Stift auf dem Zeichenblatt erzeugt. Bei diesem Vergleich müssen sich genügend Übereinstimmungen finden, damit ich mir sagen kann: „Das was ich zeichne, entspricht dem, was ich sehe“.
Ob meine Zeichnung schließlich gelungen ist, bestimmt also weder ein Gefühl noch irgendeine Idee sondern allein mein Auge.

Bild: Griechisches Fischerboot (Bleistiftzeichnung, 1994)
Bild: Felsen am Ufer der Orb (Bleistiftzeichnung, 1997)


Im Naturstudium setze ich mich also mit der mir sichtbaren Welt auseinander. Ich untersuche und erforsche schauend die meinem Sehen wahrnehmbare Natur der Dinge und versuche zeichnend diese zu erfassen und zu begreifen.
Dieses Naturstudium ist der Versuch einer Annäherung an das, was meine Augen sehen können – in der Welt und im Bild.

Die sichtbare Wirklichkeit als Vorbild nehmen, bedeutet auch, mich selbst nicht allzu wichtig zu nehmen. Hinschauen, den Blick schärfen, genau darauf achten, was meine Augen sehen und doch wissen, dass ich es nur so darstellen kann,
wie ich es sehe und mit den von mir beherrschten bildnerischen Mitteln.

Mein Zeichnen nach der Natur ist auch der Versuch, mich aus den Projektionen der Medienwelt zu befreien.
Zeichnen nach der Natur bedeutet, mich auf die eigene Wahrnehmung der Dinge zu besinnen. Doch wie kann ich mir sicher sein, dass ich bei meinem Blick in die Welt nicht in die Welt hineinsehe, was ich an vorge- fertigten Bildern in mir trage? Wie kann ich in diesem Ozean der Bilder noch meiner eigenen Wahrnehmung trauen? Muss ich mich nicht auch von mir distanzieren, um klarer zu sehen?

Bild: Felsen bei Bonnieux (Zeichnung 1995)
Bild: Pinienzapfen (Bleistiftzeichnung, 2016)
Bild: Dörfchen im Midi (Bleistiftzeichnung, 1997)

Indem ich beim Zeichnen nach der Natur von mir absehe, lasse ich die Welt Welt sein. Zeichnend gewinne ich ein Bild der Welt, aber ich mache mir nicht die Welt zum Bild.

Zitat: Paul Klee betont den Wert der Zwiesprache mit der Natur für den Künstler.
Zizat: Maurice Merleau-Ponty über die Wechselbeziehung von Hand und Auge.
Zitat: Friedrich Nietzsche sagt, man müsse von sich selbst absehen, um viel zu sehen.
Zitat: John Dewey begründet die direkte Erfahrung aus der Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur
Zitat: Leonardo da Vinci sagt, dass der Maler von den Werken der Natur lernen soll.