6. Schattenseiten

Den Menschen erschien in den Zeiten der Geschichte das Gegeneinander von Licht und Schatten oft wie ein Kampf, den das Licht gegen die Finsternis führt. Für die Maler jedoch war dies kein Gegen- sondern ein Miteinander, Licht und Schatten stehen
„in einer unzertrennlichen Verbindung“ (J.G. Sulzer), darum wurde in der bildenden Kunst ‚Licht und Schatten‘ wie ein einziges Wort verwendet (Hell-Dunkel, ital.:  Chiaroscuro, franz.: Clair-obscur).

Dieses Miteinander wurde ein wichtiges Gestaltungsmittel der Grafik und der Malerei.  So kann der bildende Künstler mit dem Spiel aus Licht und Schatten den dargestellten Dingen Form geben und Räumlichkeit im Bild erzeugen.

Mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten lässt sich aber auch der Ausdruck steigern und dramatische Wirkungen erzielen. Was dann die Fotografen und Filmemacher auch bald verstanden und als stil-bildendes Merkmal nutzten (Film noir).

Doch wir, die wir auf der Sonnenseite der Straße des Lebens flanieren, was wissen wir noch von den Schattenseiten des Lebens? In unserer heilen, medial vermittelten und gestalteten Welt wurden die Schattenseiten des Lebens regelrecht zum Verschwinden gebracht und sollten sie doch mal störend in unserem Leben auftauchen, so haben wir unsere schmerzbetäubenden Mittel und Therapien.

Doch zum menschlichen Leben gehören auch die Schattenseiten. Entbehrungen und Enttäuschungen, Trauer und Schmerz, machen uns das Leben nicht nur (oft unerträglich) schwer sondern auch reicher. Diese Schattenseiten des Lebens formen uns auch, wir und unser Leben gewinnen durch sie an Tiefe.