6.  Die Ordnung der Dinge

Wenn wir die Welt betrachten, ordnen wir sehend bereits die Dinge. Diese Ordnung der Dinge ist also unsere Gewichtung, unsere Be-deutung und Zu-ordnung. Die Dinge haben für uns diese Ordnung, ob sie auch ‚an sich‘ diese Ordnung haben, ist für unsere Orientierung nicht von Interesse, wichtig ist allein, dass wir uns auf ihre Ordnung verlassen können, denn wir bedürfen einer solchen Ordnung der Dinge.

Wir sind nur in einer Welt, wir haben nur Welt, wenn sie – für uns – eine Ordnung hat, die uns Orientierung und Halt schenkt. Dies ist so grundlegend für unser In-der-Welt-sein, dass wir jeglichen Halt verlieren, wenn wir uns nicht mehr orientieren können.

Aus diesem elementaren Bedürfnis heraus nehmen wir unsere Welt wahr.
Wir können die Dinge nicht völlig unvorein-genommen und teilnahmslos sehen, denn so würden wir  n i c h t s sehen. Wir würden das Zu- und Miteinander der Dinge nicht erkennen, wir könnten Unterschiede und Gemeinsamkeiten nicht erkennen – alles wäre uns gleich-gültig. Aber da wir Teil dieser Welt sind, also ein Ding unter Dingen sind, sind wir auch niemals teilnahmslos.
Wir müssen uns orientieren und deswegen können wir in dieser Welt auch nicht ohne Ordnung sein.

Bild: Blumentöpfe auf dem Trödelmarkt in Bonnieux (Fotografie, 1999)

Fußnote:
„Es gibt keine Ordnung der Dinge a priori“, sagt Ludwig Wittgenstein. Wir Menschen brauchen jedoch eine Ordnung der Dinge um in dieser Welt leben zu können und deshalb sehen und erschaffen wir uns eine geordnete Welt –
insofern gibt es keine Ordnung der Dinge ‚a priori‘.
Wenn wir uns eine Ordnung ‚a priori‘ denken, wäre dies eine Welt ohne uns. Eine solche Welt ist aber von uns aus nicht denkbar. Aus der Sicht anderer Lebewesen wäre auch eine menschenlose Welt eine geordnete Welt, da auch sie sich dort mittels ihrer Wahrnehmungen orientieren müssten – aber dies wäre nicht unsere Welt. Entscheidender ist jedoch, dass wir Menschen uns nicht ohne eine Ordnung der Dinge denken können. Ein Mensch ist immer in einer Welt und diese Welt hat für ihn eine Ordnung.
Ein weltloser Mensch ist nicht denkbar.
Wir Menschen finden und bestimmen uns in dieser geordneten (= wahrnehmbaren) Welt. Die Ordnung der Dinge muss uns also ‚a priori‘ sein, weil uns sonst Menschsein nicht möglich ist.
Welt und Mensch sind nur gemeinsam denkbar.

Wer erkennen und darstellen will, muss gewichten und bewerten, reduzieren und ordnen.
Erst die Komposition, also die Anordnung der Bildinhalte auf dem Bildgrund, ermöglicht uns eine Aussage.

Die Ordnung der Bildinhalte ist immer auch auf die Begrenzung des Bildgrundes bezogen, erst diese Grenze ermöglicht uns eine Komposition.

Bild: Döschen auf dem Markt in Forcalquier (Fotografie, 1999)
Zitat: Ernst Cassirer sagt, Kunst sei nicht Nachahmung sondern Entdeckung von Wirklichkeit.
Zitat: Für André Malraux ist eine künstlerische Darstellung nicht ohne Reduktion möglich.
Zitat: Reinhard Brandt erklärt, wessen Kunstbilder bedürfen.